Also wenn wir schon mal eine „Feuilloton“ bei uns haben, dann lassen wir doch auch gleich das Feuilloton sprechen. Hier ist der Zeitredakteur Jan Freitag mit seiner Rezension der aktuellen Van Spar Platte:
Chamäleonvergleiche gehen oft an der Sache vorbei. Zumindest, wenn damit Wandlungsfähigkeit an sich beschrieben wird. Das anpassungsfähige Reptil verändert sein Äußeres ja doch den örtlichen Umständen entsprechend, ordnet sich den Verhältnissen also lieber unter, als sie zu prägen. Geschmeidig, könnte man das nennen. Gefällig, tickten Leguane tatsächlich so. Trotz aller Farbe farblos. Also in etwas das Gegenteil von Von Spar.
Seit ihrer Gründung vor elf Jahren wurden die vier bis fünf Kölner zwar öfters als Chamäleon des deutschen Pop bezeichnet. Schließlich haben sie den elektronischen Postpunk ihres grandiosen Debütalbums mit dem noch grandioseren Titel Die uneingeschränkte Freiheit der privaten Initiative schon 2007 zugunsten eines verstiegenen Krautrockexperimentes über den Haufen geworfen. Das dritte Album 2010 wurde dann ein digitales Klangkonvolut, das Jean Michel Jarre zum nüchternen Strukturalisten degradiert.
Doch all dies waren irgendwie nicht gerade musikalische Leitthemen ihrer schnelllebigen Zeit. Womit wir beim neuen, dem vierten Album wären. Es heißt Streetlife, mag zu Beginn entfernt an die aktuelle Neigung bekannter Künstler zum Neofunk erinnern. Aber das verfliegt nach wenigen Takten. Dann machen Von Spar, tja, was machen die da eigentlich. Jedenfalls alles andere, als die Farbe eines anderen Stils anzunehmen, auf den sie sich bewusst oder zufällig draufgesetzt haben.Mit etwas Wohlwollen könnte man die acht längeren bis echt langen Lieder vielleicht Lowfipop nennen, mit etwas weniger womöglich Easy Listening, doch sie lassen sich nie auf den schnöden Zeitgeist ein. Mit dem Monsterhit der Crusaders hat der Albumtitel ebenso wenig zu tun wie die Vorgängerplatte Foreigner mit der gleichnamigen Band. Streetlife mag bisweilen klingen, als seien Von Spar nach der Geburt in einen Sample-Tank gefallen und könnten die überschüssige Referenzvielfalt im Erwachsenenalter nicht mehr recht dosieren. Das führt dann manchmal so weit, dass in Stücken Breaking Formation ein Christopher Cross aus dem Audiogefrickel blinzelt, aus Try Though We Might gar Peter Maffay, während das anschließende Duvet Days an die allerersten Gehversuche des Ambient erinnertManchmal wirkt dieses Sammelsurium also geradezu lachhaft, lachhaft konstruiert vor allem. Aber Von Spar gelingt es, dieses Durcheinander wie einen entspannten Spaziergang durch die Jahrzehnte elektronischer Spielarten aussehen zu lassen. Fast so wie es Daft Punk mit ihrer technoiden Wiederbelebung des Oldschool-Funk getan haben. Wer kann, der kann, könnte man meinen. Trotz der betulichen Fritz-Kalkbrenner-Gedächtnis-Stimme des Gastsängers Chris Cummings aka Mantler verstärkt sich der Sog von Streetlife also mit jeder neuen Umdrehung. Einfach fabelhaft