KRISTOFFER AND THE HABOURHEADS (SWE) ACHTUNG!! KONZERTBEGINN 20UHR


Es kursiert eine Geschichte über Kristoffer Ragnstam: Seine Mutter soll ihm sein erstes Schlagzeug unter der Bedingung gekauft haben, dass er ein Jahr lang auf Süßigkeiten verzichtet. Und das, obwohl in Kungäv, dem Ort, in dem Ragnstam aufgewachsen ist, eine Keksfabrik steht, durch die es laut dem Musiker im ganzen Ort ständig nach Gebäck roch. Eine ordentliche Portion Leidenschaft für die Musik brachte der Skandinavier also offensichtlich von Anfang an auf. Und die hat sich gelohnt: Später kamen viele weitere Instrumente dazu, die meisten davon stehen mittlerweile in seinem eigenen Studio in Göteborg. Dort spielt er am liebsten alles selbst ein, um genau den richtigen Sound hinzubekommen. Seine letzte EP (nach zwei Longplayern zuvor) hatte den bezeichnenden Titel Homemade.
Und dann kommt Ryan Kelly daher. Er hatte den Schweden bei einem Auftritt in New York erlebt und wollte unbedingt mit ihm zusammenarbeiten. Aber er hatte ganz eigene Vorstellungen davon, wie das ablaufen sollte: Kristoffer Ragnstam sollte sein drittes Album live im Studio einspielen, gemeinsam mit seiner Backing-Band (die Harbourheads sind Joel Lundberg und Emil C. Rinstad).
Alles sollte für Little Goes A Long Way also ganz anders sein als bisher. Man kann sich vorstellen, wie schwer das gefallen ist. Kristoffer Ragnstam will das auch gar nicht leugnen: „Ich habe oft gedacht, dass Ryan ein totaler Vollidiot ist. Im Rückblick weiß ich aber, dass er lediglich unsere musikalischen Schwächen aufgedeckt hat. Seine direkte Art hat mein Ego ziemlich oft verletzt. Das tat weh. Inzwischen bin ich aber glücklich und Ryan sehr dankbar dafür.“
In der Tat hat sich die neue Methode gelohnt. Little Goes A Long Way ist ein im höchsten Maße schillerndes, packendes, rundes Werk geworden. Man hört seinem dritten Album den Eklektizismus an, der Kristoffer Ragnstam schon den Beinamen als „der schwedische Beck“ eingebracht hat. Dazu kommt aber eine neue Unbedingtheit, Lässigkeit und Unmittelbarkeit, die großen Spaß macht.
Zum Auftakt schafft es We Are All Different ganz ähnlich wie die Good Shoes das stets so gut hinbekommen haben, zugleich eingängig und sperrig zu sein. Only For Rachel ist sonnig im Stile der Shout Out Louds oder Friendly Fires und klingt dazu beinahe faul, so spontan und unaffektiert kommt dieses Lied daher.
Auch das herrliche Bulls, Wolves And Grizzly Bears ist ein bisschen schräg, aber schwer bezaubernd, sodass man an You Say France & I Whistle denken muss oder an Vampire Weekend, die hier auch an anderen Stellen sehr deutliche Spuren hinterlassen haben. Das Erfolgsrezept von Mumford & Sons (mit denen Kristoffer Ragnstam & The Harbourheads schon auf Tour waren) scheinen sie sich für den Titelsong abgeschaut zu haben. Ein euphorisierendes „Ohoho“ steht gleich am Beginn, und der Refrain wird dann richtig klasse: einig und einend.
Ganz oft ist auf diesem Album das Klavier dominant und das Schlagzeug komplex, der meist zweistimmige Gesang sorgt für eine warme Grundstimmung, die ein bisschen erstaunt, wenn man bedenkt, dass Little Goes A Long Way in zwei Wochen mitten im schwedischen Winter 2011 entstanden ist. Mit solchen Widersprüchen hat Kristoffer Ragnstam allerdings Erfahrung: „Ich schreibe traurige Songs, wenn ich glücklich bin, und umgekehrt. Dann ist mein Blick klarer“, sagt er. Passend dazu lauten die zentralen Zeilen im zauberhaften Happy Face dann auch: „Got all this dynamite / but nothing to tear apart / sadness came with a happy face.“
Der Schwede muss demnach sehr glücklich gewesen sein, als er Same Drug komponiert hat, denn so abgründig, tiefschwarz und schön klingt Schmerz sonst nur bei Ryan Adams oder Leonard Cohen. Der Bonustrack Who Set This City On Fire ganz am Schluss bietet fast drei Minuten Selbstmitleid zu pittoresken Steeldrums, um dann doch noch so etwas wie eine Katharsis zu finden.
Insgesamt überwiegen aber deutlich die heiteren Momente. Ein bisschen Reggae schummelt sich in Even, Not Settled hinein, das zugleich aufregend und old-timey klingt wie die besten Momente von Frankie & The Heartstrings. Fast nur aus Feedback und Gefühl (irgendetwas zwischen Wut, Resignation und Begehren) besteht Passive French Kiss. Wenn die Hives jemals einen Tim-Burton-Film vertonen sollten, könnte das Ergebnis so ähnlich wie das packende Kiddo klingen. Ein ähnliches Erlebnis ist gleich danach From Heaven To Sweden, das minimalistisch und geheimnisvoll daherkommt.
Vielleicht der Prototyp-Track dieses Albums ist Whyte And Black: Das Lied beginnt gewagt und wird dann hymnisch. „Kill that ego“, singt Kristoffer Ragnstam, wie eine Ermahnung an sich selbst. Er scheint erkannt zu haben: Kleine Kompromisse können manchmal der beste Weg zu tollen Erfolgen sein. Das war beim Schlagzeug als Weihnachtsgeschenk so. Und es funktioniert blendend für Little Goes A Long Way.

Bitte dran denken: Konzertbeginn 20Uhr

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